29. Mai 2011

Widgets

Facebook: Banal und doch so nah

Es vergeht nicht ein Tag, an dem nicht irgend ein Zeitungsartikel oder TV- Bericht die Banalität der Statusupdates auf Facebook thematisiert. An dem davor gewarnt wird, dass Facebook süchtig macht, unsere gesunde Psyche und Privatsphäre gefährdet oder gar unsere Fähigkeit zum Aufbau und Erhalt zwischenmenschlicher Beziehungen bedroht. Und mal ehrlich, jeder von uns hat schon einmal darüber nachgedacht, den großen "unlike" Button zu drücken und den Social Media-Stecker zu ziehen.

Kein Problem? Dann hättet Ihr ja sicher auch kein Problem damit, Euer "digitales Ich" bei einer virtuellen Runde Russisch Roulette auf's Spiel zu setzen. Immerhin lockt für den Gewinner des von der Miami Ad School in Berlin inszenierten Nervenkitzels eine Reise nach Moskau.



Aktuell handelt es sich dabei leider nur um eine Konzeptidee, aber ich wette Ihr würdet euer Profil nicht für eine kostenlose Reise nach Moskau riskieren - genauso wenig wie ich.

Warum ist uns unser Facebook-Profil wirklich so wichtig? Der Schlüssel liegt in unserer Nutzung von Facebook.
Während gerne auf den über 500 Millionen Mitgliedern herumgeritten wird und Philosophen sich den Kopf darüber zerbrechen, wie viele Freundschaften man denn nun verkraften kann, spielt das in Wahrheit eigentlich kaum eine Rolle.
  • 90% nutzen FB, um in Kontakt mit ihren bestehenden Freunden zu bleiben
  • 80% nutzen FB, um mehr über ihre bestehenden Freunde zu erfahren
  • nur 39% nutzen FB, um neue Menschen kennen zu lernen
Diese Analyse bestätigt demnach, was wir alle aus unserer eigenen Erfahrung kennen: auf Facebook dreht sich alles um Freunde, zu denen wir bereits einen engen persönlichen Bezug haben. Eine Tatsache, die von Facebook durch den "Edge Rank Algorithmus" und der Aufteilung der Statusnachrichten in "Top News" und "Most Recent" bewusst gefördert wird.

Ein anderer Punkt, der immer wieder angeprangert wird, ist die Banalität der Status-Updates. Dabei handelt es sich um gar kein FB Phänomen. Egal, ob beim Kaffeeklatsch oder auf der letzten Party, objektiv betrachtet tendiert der Informationswert der meisten Unterhaltungen sowieso Richtung Null. Aber wenn es unser direktes Umfeld betrifft, dann sind die banalsten Informationen für uns hoch relevant. Banalitäten sind also nicht nur die Grundlage für Unterhaltungen mit unseren Freunden, sondern bilden gleichzeitig den Klebstoff unseres Freundeskreis.

Gleichzeitig ermöglicht uns Aufbau und Struktur von Facebook, geographische Barrieren zu überbrücken und den Kontakt auch über große Distanzen aufrecht zu erhalten. Das neue Partyfoto von meinem Ex-Mitbewohner aus Studienzeiten, der jetzt in Australien lebt, kann ich bequem am nächsten Tag anschauen und kommentieren. Gleichzeitig können alle seine Freunde aus seinem lokalen Freundeskreis meinen Kommentar lesen und wiederum kommentieren.

Analog dazu fand Adam Joinson in einer Studie heraus, dass Status-Updates vor allem dazu dienen, uns selbst zu präsentieren, unsere soziale Idendität zu schärfen und im wesentlichen an Kontakte gerichtet sind, mit denen wir sowieso in einer engen Beziehung stehen (strong ties). Während der Upload von Bildern, sharing und tagging vor allem dazu dient, den Kontakt mit Freunden ausserhalb unseres lokalen Netzwerkes aufrecht zu erhalten (weak ties).

Warum wir unser Facebook-Profil nicht löschen. Wir haben uns daran gewöhnt, dank Facebook immer up to date zu sein, am Erlebten unserer Freunde teilzunehmen, egal ob wir wirklich dabei waren oder nicht. FB erlaubt uns den Kontakt zu Personen aufrecht zu halten, mit denen uns sonst eigentlich nur noch wenig verbindet. Ohne Facebook würden viele dieser Informationen an uns vorbei gehen und nichts ist für uns, die vernetzte Generation, beängstigender als soziale Ausgrenzung. Die Wahrheit ist, Facebook ist schon lange kein digitales Spiegelbild unseres Leben mehr, sondern ein fester Bestandteil und deshalb würden wir uns nur ungern von unserm Facebook-Profil trennen, auch wenn es die Beziehung zu unseren wichtigsten Freunden nicht beeinflussen würde.